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EPIDAURUS - Moderner Kurort der Antike - UNESCO

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2017-01-08 2022-12-21 08.01.2017
Epidauros antikes Theater Luftaufnahmen 0003
Epidauros antikes Theater Luftaufnahme

„Pandaros aus Thessalien hatte Flecken auf seiner Stirn. Während des Schlafes im ,Unbetretbaren’ hatte er eine Vision: Der Gott erschien, legte ihm eine Binde um die Stirn und befahl ihm, das ,Unbetretbare’ zu verlassen, die Binde wieder abzunehmen und sie als Weihegeschenk in den Tempel zu bringen. Im Morgengrauen tat Pandaros, wie der Gott ihn geheißen. Seine Stirn war rein, die Flecken waren an der Binde kleben geblieben. Er trug die Binde in den Tempel.“ - Der Ruf der Wunder des in einem Tal nahe der antiken Hafenstadt gleichen Namens an der Ostküste der Peloponnes gelegenen Asklepios-Heiligtums von Epidaurus ging einst durch die ganze Welt. Scharen von Gläubigen strömten herbei, Kranke, die bei Ärzten keine Hilfe gefunden hatten. Asklepios, der mythologischen Überlieferung zufolge ein Sohn des Gottes Apollon und einer Sterblichen, der Koronis, war der eigentliche Gott der Heilkunst, und ihm zu Ehren wurden in ganz Griechenland Heiligtümer gegründet. Die Kultstätte in Epidaurus entwickelte sich zum größten Asklepios-Heiligtum der Antike - wurde zu einem modernen Kurort mit einem berühmten Theater, einem Stadion, einem zweigeschossigen, rund 160 Räume zählenden Gästehaus, mit Hallen für den Heilschlaf Bädern, Gymnasion, Odeion, Propylon, weiteren Nutzbauten, Tempeln. Die Ruinen, die heute in Epidaurus zu sehen sind, stammen aus dem vierten Jahrhundert v. Chr..

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Epidauros Asklepios Heiligtum Luftaufnahme

Der heutige Besucher betritt den Bereich des Heiligtums von einer anderen Seite als der antike Besucher - nämlich von Süden. In archaischer Zeit befand sich der Eingang an der Nordseite. Die Straße, die das Heiligtum mit dem alten Epidaurus verband, endete an den Propyläen, dem imposanten Festtor. Von dort aus führte ein etwa 200 Meter langer Weg, der „Heilige Weg“, zu den wichtigsten Gebäuden wie dem Tempel des Asklepios und dem Tholosbau. Auf einer Steinplatte las der Besucher die Begrüßungsworte: „Wenn du des Gottes Haus betrittst, das von wohlriechenden Kräutern Duftende, musst du rein sein, / Und deine Gesinnung ist rein, / Wenn du in Ehrfurcht nahst.“

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Epidauros Asklepios Heiligtum

Heute ist meist das am Hang des Kynortion-Berges gelegene, bekannteste, besterhaltene und wegen seiner hervorragenden Akustik gerühmte antike Theater, in dem in den Sommermonaten noch immer Vorstellungen gegeben werden, das erste Ziel der Besucher. Es wurde zu Beginn des 3. Jh. v. Chr. erbaut. Um die kreisförmige Orchestra mit einem Durchmesser von etwas mehr als 20 Metern gruppierten sich zunächst in zwölf Sektoren 34 steinerne Sitzreihen, auf denen ungefähr 6 200 Zuschauer Platz fanden. Im 2. Jh. v. Chr. Erfolgte eine Erweiterung: Der obere Zuschauerrang wurde hinzugefügt, wodurch künftig mehr als 12 000 Besucher untergebracht werden konnten. Die Ehrenplätze waren nicht einfache Sitze, sondern hatten die Form von Sesseln. Auf der dem Zuschauerraum gegenüberliegenden Seite der Orchestra befand sich ein Bühnengebäude (Skene), das aus einem Hauptbau mit zwei Räumen an den Seiten und dem Proszenium mit einer Reihe ionischer Halbsäulen an der Frontseite bestand, zwischen denen bemalte Holztafeln als Bühnenbilder angebracht werden konnten. Die Schauspieler agierten zunächst in der Orchestra, nach der Erweiterung des Theaters spielten sie auf dem Proszenium, während der Chor weiterhin auf der Orchestra auftrat.

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Epidauros Asklepios Heiligtum Luftaufnahme

Nordwestlich des Theaters finden sich die Ruinen eines quadratischen Bauwerks: Das Gästehaus (Katagogion), das größte aller Bauwerke des Heiligtums, wurde im 4. Jh. v. Chr. zur Unterbringung der zahlreichen Pilger errichtet. Der zweistöckige Bau mit vier quadratischen Höfen hat vermutlich mehr als 150 Zimmer gehabt. Die Fundamente waren aus Felsgestein, die Wände aus Backstein gemauert. Westlich davon sind die Mauern eines rechteckigen Badehauses aus dem 3. Jh. v. Chr. erhalten, das gleichzeitig mit dem nördlich davon gelegenen Gymnasion entstanden ist. In römischer Zeit wurde an der Stelle des Gymnasion-Hofes ein Odeon errichtet und der Torbau des Gebäudes zu einem kleinen Tempel der Hygieia umgewandelt. In nächster Nähe befanden sich der Artemis-Tempel und der Tempel der Themis. Der heilige Hain, in dem weder Geburt noch Tod eines Menschen erfolgen durften, war rings von Grenzmalen umgeben. Das älteste Gebäude des Heiligtums diente ursprünglich als Apollon-Tempel, dann als Schlafraum und schließlich als Wohnhaus für Priester.

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Das antike Theater von Epidauros

Das wichtigste Bauwerk des Heiligtums, der Asklepios-Tempel, wurde im 4. Jh. v. Chr. durch den Architekten Theodotos errichtet. Es war ein dorischer Peripteros-Tempel mit je sechs Säulem an den Schmalseiten und elf an den Langseiten, mit Vorhalle und Cella. Darin hatte die Kultstatue des Asklepios ihren Platz, ein Werk des Bildhauers Thrasymedes von Paros aus Gold und Elfenbein. Nach der Beschreibung des Reiseschriftstellers und Autors Pausanias war der Gott auf einem Thron sitzend dargestellt, in der einen Hand einen Stab haltend und die andere Hand auf dem Kopf einer Schlange, zu seinen Füßen lag ein Hund.

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Epidauros Asklepios Heiligtum

Im Osten befand sich gegenüber vom Tempeleingang ein großer Asklepios-Altar. Die Kranken, die hofften, durch den Gott mit Hilfe eines Traumes oder einer anderen göttlichen Einwirkung Heilung zu finden, legten sich in einer Schlafhalle (Abaton, das „Unbetretbare“) zur Ruhe, einer etwa 70 Meter langen Säulenhalle, die aus zwei Teilen bestand. Der Schlaf war - neben einer kultischen Reinigung und einem Apollon dargebrachten Opfer - ein Hauptmoment der Heilung. Am Ostende der Säulenhalle befand sich ein Brunnen mit heilkräftigem Wasser, in seiner Nähe wurden Inschriftentafeln mit Berichten über Heilungen gefunden.

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Epidauros Asklepios Heiligtum

Eines der schönsten Bauwerke des Heiligtums war der mit Fresken, Mosaiken und Marmorreliefs reich ausgeschmückte Tholosbau, ein Rundbau mit kreisförmiger äußerer Säulenhalle (aus 26 dorischen Säulen und einem dorischen Gebälk mit Metopen), kreisförmiger Cella und kreisförmiger innerer Säulenstellung (aus 14 korinthischen Säulen, deren korinthischen Kapitelle zu den schönsten ihrer Art gehörten). Es handelt sich um ein Werk Polyklets des Jüngeren. Die eigentliche Bestimmung des Gebäudes stellt ein Problem dar, das die Forscher viel beschäftigt hat. Möglicherweise hat es als Stätte mystischer Kultfeiern gedient oder für offizielle Beratungen oder als eine Art Prytaneion der Priester und Archonten des Heiligtums, mutmaßen Wissenschaftler. Unter der Bodenplatte im mittleren Ring gab es drei Kreisgänge, die an ein „Labyrinth“ erinnern. Wurden dort die heiligen Schlangen des Asklepios gehalten?

Epidauros Stadion Asklepios Heiligtum Luftaufnahmen 0001
Epidauros Stadion Asklepios Heiligtum Luftaufnahme

Südwestlich vom Heiligtum lag das Stadium, von dem einige steinerne Sitzreihen erhalten sind. Zu den Festen und Wettkämpfen kamen Besucher aus ganz Griechenland. Oberhalb des Theaters erhebt sich im Süden des Asklepieions der Berg Kynortion, an dessen Hang sich das Heiligtum des Apollon Maleatas befand. Das Heiligtum des Asklepios in Epidaurus überdauerte nahezu acht Jahrhunderte. Die Ausgrabungen im Asklepieion von Epidaurus wurden 1879 von P. Kavvadias mit Mitteln der Griechischen Archäologischen Gesellschaft begonnen. Die Arbeiten wurden von I. Papadimitriou und neuerdings von V. Lambrinoudakis weitergeführt. Viele der Funde finden sich in dem Museum, das am Eingang zu den archäologischen Stätten liegt: Inschriften verschiedenen Inhalts, Abrechnungen von den verschiedensten Bauarbeiten am Tempel und Tholosbau, eine Vitrine mit medizinischen Instrumenten, Gipsabgüsse von Standbildern und Weihegaben (die Originale befinden sich im Archäologischen Nationalmuseum in Athen), Skulpturteile von den verschiedenen Tempeln, Rekonstruktionen und eine Teilrestauration des Fußbodens des Tholos-Gebäudes.

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Kleines antike Theater von Palia Epidavros

Die antike Stadt Epidaurus lag etwa achtzehn Kilometer vom Heiligtum entfernt an der Stelle, wo heute das Dorf Alt-Epidaurus (Palia Epidavros) sich befindet. Im Altertum begann die Stadt am südlichen Rand des heutigen Dorfes und erstreckte sich bis zur Halbinsel. Der Hafen der Stadt war bedeutend für die Gegend, besonders als Verbindung nach Piräus und den Inseln. Heute ist der alte Strand von Wasser überflutet, aber man kann auf dem Meeresgrund, nordwestlich des archaischen Marktes, noch Grundrisse von Gebäuden erkennen. Gut erhalten ist das kleine Theater, das in den Jahren Alexanders des Großen gebaut wurde.